Um die Arbeit der Zukunft ging es bei LABOR.A. Die Konferenz Anfang Oktober, organisiert von der Hans-Böckler-Stiftung wurde dieses Jahr online und mit Livestreams aus dem Cafe Moskau durchgeführt. Vor Ort im Studio war FCZB-Geschäftsführerin Dr. Karin Reichel. Sie diskutierte in der Session zum Thema „Covid 19 und berufliche Bildung“ und gewann später beim Ideenpitch in der Kategorie „Qualifizierung in der digitalen Transformation“.
Die ganztägige Veranstaltung war in mehrere parallele Sessions aufgeteilt, die mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Praxis unterschiedliche Perspektiven bot. Thematisch ging es z.B. um Autonomie, Ungleichheit, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle, aber auch betriebliche um Mitbestimmung, berufliche Bildung, künstliche Intelligenz und Organisationswandel.
COVID 19 und berufliche Bildung: Lehren für die Gestaltung der digitalen Transformation
Gerade weil sich die FCZB-Geschäftsführerin für Digitalisierung in der beruflichen Bildung einsetzt, machte sie deutlich, dass die digitale Welt nicht für alle eine schöne, neue Welt sei. „Vor allem für weniger privilegierten Gruppen fehlt es an Infrastruktur. Das merken wir im FCZB immer wieder. Bei manchen Teilnehmerinnen scheitert die Onlineweiterbildung in Coronazeiten daran, dass es keine technische Ausstattung gibt oder die digitale Kompetenz fehlt.“
Ähnlich sei es auch in Berufsschulen bzw. Betrieben, ergänzte Dr. Maria Richter vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI), die online zugeschaltet war. Je nach Branche fehlten häufig sowohl Endgeräte als auch geeignetes Bildungspersonal mit medienpädagogischer Kompetenz.
Dabei gehe es aber um kritische Medienkompetenz, ergänzte Karin Reichel: „Das muss über reine Anwenderfähigkeiten hinausgehen. Wir sollten auch immer nach den Auswirkungen der eingesetzten Tools für die Zusammenarbeit, für das Teamwork fragen.“
Miteinander statt von oben herab
Volker Grigo von thyssenkrupp, ebenfalls online, glaubt an einen Paradigmenwechsel in der beruflichen Bildung, vor allem in der Stahlindustrie: „Früher hieß es Lehrjahre sind keine Herrenjahre; heute sollte zwischen Lehrenden und Lernenden eine Interaktion auf Augenhöhe bestehen.“
Es sei wichtig, dass das traditionelle Verhältnis von Meister und Lehrling aufzubrechen: „Das muss in den Köpfen passieren, und das ist fast noch schwieriger als 1.000 Laptops zu kaufen.“
Karin Reichel: „Dieser Wechsel ist absolut wichtig und nötig; denn die Heterogenität von Azubis nimmt in vielen Branchen zu. Das erfordert ein komplettes Umdenken für die Rolle der Ausbilder*innen.“
An dieser Stelle verwies sie auf DIGITALE AKADEMIE PFLEGE 4.0, ein neues Projekt des FCZB, das sich mit digitaler Weiterbildung und Coaching von Personal in der Pflegeausbildung beschäftigt.
Lernen als fortlaufender Prozess
Einig waren sich die Diskutant*innen, dass viele Menschen in ihrer traditionellen Schulkarriere negative Lernerfahrungen gemacht hätten. „Damit kämpfen heute noch viele. Dass Lernen Spaß machen kann, ist für viele eine neue Erfahrung. Die ist sehr ausbaufähig“, so Karin Reichel.
Für Volker Grigo gehört auch die Persönlichkeitsentwicklung zur Weiterbildung: „Wir legen Wert auf die extracurricularen Themen wie Teamentwicklung, politisches Gespür, die Verantwortung des Unternehmens im Nationalsozialismus. Das machen wir auch aus Eigennutz; denn die Gesellschaft wird immer diverser, und damit auch die Belegschaft. Wir brauchen Leute, die schlaue Konfliktlösungen verfolgen und Wissen aus der Vergangenheit in Gegenwart und Zukunft transferieren.“
In eine ähnliche Richtung gingen die Beiträge aus dem Publikumschat: „In diesen Zeiten der Transformation und des immer schnelleren Umbruchs, in einer Zeit, in der eine große Individualisierung und Entsolidarisierung erfolgt ist, zeigen die gesellschaftlichen Tendenzen, das die Themen Demokratisierung und Teilhabe immer wichtiger werden. Betriebsrät*innen und gewerkschaftliche Akteure müssen m.E. ihre medienpädagogischen Kompetenzen stärker ausbauen, um tragfähige Konzepte in die Betriebe zu tragen … Wir brauchen dieses kritische Denken zum Erhalt der Innovationsfähigkeit.“
Wenn die Krise Lücken aufzeigt
Welche Auswirkungen die Pandemie auf Ausbildung und Berufsschule hat, sei bisher kaum erforscht, stellte Maria Richter fest.
Auf ihre Frage, wo oder wie bestimmte Gruppen verloren gingen, hatte Karin Reichel eine mögliche Erklärung: „Wir haben den Anspruch niedrigschwelliger Angebote, weil genug Frauen kommen, die nicht wissen, wie man einen Computer anschaltet. Sie brauchen spezielle Angebote. Und da kann Digitalisierung ein Ausschlusskriterium sein.“
Ein Teilnehmer aus dem Chat ergänzte, dass „gerade das Ausbildungspersonal erhebliche Lernfelder im Bereich moderner, digitaler Medien habe.“
Eine andere Lücke, so Reichel, sei, dass manche Teilhabeangebote und Meinungsbildungsprozesse nur noch digital angeboten würden. Menschen, die nicht online seien, würden damit von demokratischen und partizipativen Prozessen ausgeschlossen.
Es kommt auf den Standpunkt an
Volker Grigo warnte davor, die Digitalisierung nur als „ defizitgetriebenes Thema zu sehen. Es kann auch ein wachstumsgetriebenes Thema mit vielen Möglichkeiten sein. Digital und Präsenz sind kein Gegensatz, ich kann ja auch vor Ort online in einer Bildungseinrichtung lernen. Durch diese Kombination haben wir ja viel mehr Möglichkeiten.“
Auch hier konnte Karin Reichel zustimmen: „Wir bieten inzwischen noch mehr Blended-Learning-Unterricht an als vorher. Aber zu Beginn muss es für bestimmte Gruppen Präsenz geben, damit man ihnen Dinge direkt zeigen kann, damit sie im digitalen Raum weiterlernen können. Das ist im FCZB ganz niedrigschwellig – und wir gehen auch auf Ängste und negative Lernerfahrungen ein.“
Die Welle nutzen und nicht stehen bleiben
In ihrem Abschlussstatement sprach sich Karin Reichel dafür aus, die Chancen des digitalen Lernens aus der Covid-Zeit zu nutzen: „Sie können an vielen Stellen sehr wertvoll sein, aber wir sollten uns fragen, wie wir unsere digitale Welt weiter entwickeln wollen. Vieles wird möglich.“
Dazu gehöre aber auch, das Bestehende immer wieder zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen.
Volker Gringo empfahl, die Erfahrungen „als Welle zu nutzen, auf der wir surfen können“, und Maria Richter appellierte an alle, die Coronakrise als Aufgabe und Herausforderung zu sehen: „Die Krise hat Innovationsschub gegeben, was wir alles machen können. Digitaler Unterricht kann auch in „normalen“ Zeiten eingesetzt werden. Da müssen wir kontinuierlich weitermachen. Wir dürfen jetzt nicht stehen bleiben.“
Qualifizierung in der digitalen Transformation
Beim Ideenpitch am Nachmittag stellte Karin Reichel ihre Idee für die Weiterbildung Train the Trainerin – Digitales Empowerment für Frauen vor. Sie richtet sich an Trainer*innen in der digitalisierten Welt und geht von einem ganzheitlichen Ansatz aus: Wie nutze ich digitale Tools? (anwendungsbezogenes Wissen)? Wie funktionieren diese Tools? (technisches Know-how und Verständnis)? Wie wirken die Tools (kritisch hinterfragende, gesellschaftlich-kulturelle Perspektive)?
Mit dieser Idee gewann die Geschäftsführerin des FCZB in der Kategorie „Qualifizierung in der digitalen Transformation“.