Medizinisches Know-how am Mississippi, Anatomie am Amazonas oder Gesundheitspflege am Ganges? Bei der zweiten Zukunftswerkstatt der Digitalen Akademie Pflege 4.0 (DAPF) beschäftigten sich Auszubildende zur Pflegefachkraft am Gesundheitscampus Potsdam damit, wie, wo und wann das Lernen in der Ausbildung am besten funktioniert.
Zur Zukunftswerkstatt gehört es, gedanklich in die Ferne zu schweifen und einfach mal groß zu denken – wer sich etwa auf andere Kontinente träumen wollte, wäre in der Visions-Phase genau richtig gewesen. Trotzdem: Der Tag begann nicht am Mississippi, sondern auf der Fähre über die Havel nach Hermannswerder, zum Standort des Gesundheitscampus Potsdam.
Die Zukunftswerkstatt: Frust-, Visions- und How-to-Phase
Zu Beginn konnten die Auszubildenden den angestauten Frust aus zweieinhalb Jahren Lernen unter Corona-Bedingungen ablassen. Es gab Raum für das, was nicht funktioniert hatte, woran die Auszubildenden gescheitert waren oder was sie überfordert hatte: Was hat genervt, was hat gefehlt?
In der Visionsphase war danach Zeit für die Wunschvorstellung vom digitalen Lernen: Es ging ganz allgemein um die Frage, wie es sich am besten lernen lässt. Genauer darum, welcher Lernort, welche Lernumgebung ideal wäre. Ob das Lernen allein oder mit anderen zusammen am besten funktioniert. Und darum, welche Hilfsmittel das Lernen unterstützen.
In der How-to-Phase galt es, die Impulse, Ideen und Inspirationen aus den Visionen aufzunehmen und ganz konkret zu überlegen: Wie schaffen wir uns den passenden Rahmen fürs digitale Lernen? Dabei ging es einerseits darum, was jede*r einzelne für sich tun kann. Zweitens darum, welche Unterstützung die Schule leisten kann. Und drittens darum, wie gegenseitige Unterstützung aussehen kann.
Lernen mit Sport und Schokolade
In Gruppen erstellten die Auszubildenden Poster, Collagen und Mindmaps, die zeigen: Erfolgreiches Lernen braucht entsprechende Rahmenbedingungen.
Dazu gehört die richtige Verpflegung – ob gesundes Essen oder aber Soulfood und Schokolade – genau wie Kaffee und Tee. Eine Umgebung, in der sich Lernende wohl fühlen, macht alles leichter. Und: Alle Sinne lernen mit. So begünstigt ein bequemer und heller Arbeitsplatz das Lernen genau wie Ruhe – oder für manche eher schöne Musik. Eine nette Lerngruppe hilft den meisten. Pausen mit frischer Luft und Sport können Energie geben fürs Lernen. Bei Netflix dagegen empfiehlt es sich, erst mal auf Pause zu drücken. Und zu guter Letzt lässt uns eine positive Grundstimmung leichter lernen – wenn sonst alles okay ist, klappts auch mit dem Lernen besser.
Der Arbeitsplatz: Technik, Kommunikation und Ruhe
Der ideale Arbeitsplatz verfügt über eine stabile Internet-Verbindung, moderne Endgeräte mit angepasstem Set-up und einen funktionsfähigen Drucker. Eine übersichtliche Lernplattform erleichtert das Lernen genau wie die funktionierende Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden beziehungsweise zwischen den Auszubildenden. Nicht zuletzt profitieren alle von einer ruhigen Umgebung.
Zwischen Freiheit und Struktur
Für eine Gruppe gehört zur perfekten Lernumgebung auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Möglichkeit, sich die Zeit selbst einzuteilen und äußerer Struktur mit festen Deadlines, zu denen Aufgaben abzuliefern sind. Struktur war überhaupt ein wichtiges Thema: Die Auszubildenden wünschen sich übersichtliche Arbeitsaufträge, die in wenigen Dateien zusammengefasst werden und am Ende einer Lerneinheit eine Zusammenfassung.
Lernen per App, Chat – und implantiertem Chip?
Bei den technischen Möglichkeiten sehen die Auszubildenden noch Potenzial: Die Nutzung einer Lern-App mit Videos, Spielen und Quiz-Aufgaben wäre für manche genau das Richtige. Und eine digitale Bibliothek. Wichtig ist beim Lernen zu Hause allerdings auch, eine Ansprechperson für Fragen zu haben – erreichbar am besten per Chat.
Dazu kamen Ideen, die definitiv erst mal Zukunftsmusik bleiben werden: Die Nutzung Künstlicher Intelligenz ist heute keine Utopie mehr, aber eine Lernbrille, die wichtige Informationen filtert, wird wohl noch etwas auf sich warten lassen. Das gilt auch für den ins Gehirn implantierte Computerchip, mit dem die Inhalte plötzlich verfügbar wären.
Auf jeden Fall machen diese Wünsche deutlich: Lernen ist nichts, was sich einfach so erledigen lässt, sondern ein komplexer Prozess, der gute Bedingungen braucht – und bei dem man sich eben manchmal auch wünscht, man hätte ihn schon hinter sich.
Stühle, Kaffee, Outdoor-Plätze
In der letzten Phase nahmen die Auszubildenden viele Punkte aus der Visionsphase auf, formulierten dabei auch ganz praktische Wünsche an die Schule. Thema waren unter anderem die Rahmenbedingungen. Die Auszubildenden wünschen sich bequemere Stühle, Outdoor-Arbeitsplätze und einen Kaffeeautomaten in der Schule.
Online und in Präsenz
Und wieder ging es um Struktur: Die Lernenden sprechen sich für eine Mischung aus Präsenz- und Onlineunterricht aus, der jeweils an festen Tagen stattfinden sollte. Auch hybrider Unterricht hätte sein Gutes: Die Schüler*innen hätten so die Möglichkeit, aus einer Corona-Quarantäne heraus am eigentlich in Präsenz stattfindenden Unterricht teilnehmen zu können – und könnten so Fehltage und Lücken im Stoff vermeiden.
Der Tag auf Hermannswerder hat gezeigt, dass viele Wunschvorstellungen der Auszubildenden so unrealisierbar gar nicht sind. Vom Mississippi war nicht einmal die Rede. Außerdem ist deutlich geworden, dass das während der Corona-Zeit fast über Nacht eingeführte digitale Lernen bleiben wird – und bleiben soll.
Fotos © FCZB