Drei Jahre lang hat die Digitale Akademie Pflege 4.0 (DAPF) zwei Pflegeschulen bei der Digitalisierung der Pflegeausbildung begleitet. Die Ergebnisse wurden auf der eigens entwickelten DAPF-Online-Plattform geteilt und eine partizipative Evaluation zu digitalen Kompetenzen in der Pflegedidaktik durchgeführt. Jetzt präsentierten die am Projekt Beteiligten bei einer Abschlusstagung die Ergebnisse und diskutierten mit einem interessierten Fachpublikum.
Am Ende des Tages waren sich fast alle einig: Die Pflegeausbildung im Jahr 2050 wird digital.
Die Wannseeschulen für Gesundheitsberufe e.V. und der Gesundheitscampus Potsdam (GCP) beschreiten den Weg hin zur Digitalisierung bereits erfolgreich. Drei Jahre wurden Lehrende der beiden DAPF-Partner-Schulen von Digitalisierungscoaches aus dem FrauenComputerZentrumBerlin e.V. (FCZB) bei der Einführung der digitalen Lehre begleitet.
DAPF – eine geniale Unterstützung
Die Corona-Pandemie hat auch hier den digitalen Wandel beschleunigt. Dabei ist umso deutlicher geworden, dass das im Rahmen von DAPF durchgeführte Coaching on the Job genau wie die anderen Angebote für die Pflegelehrenden ein praktikables und erfolgreiches Konzept darstellen. Mehr: Sie sind „eine geniale Unterstützung“ (Christel Bässler, Schulleiterin Pflegeberufe GCP).
An diesem Frühlingstag in den Wannseeschulen gibt es also Grund zum Feiern. Trotzdem scheint bei den Projektbeteiligten auch Wehmut durch: Zum Ende von DAPF 4.0 ist die Nachhaltigkeit des Projekts nicht gesichert. Obwohl die Digitalisierung nach der Erfahrung von Corona vermeintlich nicht mehr in Frage steht, hat das Projekt keine Folgefinanzierung erhalten. Die Fortführung beziehungsweise die Verstetigung der Ergebnisse ist unsicher.
Zählbares – Ergebnisse der Digitalen Akademie Pflege 4.0
In kurzen Inputs, im Rahmen eines gemeinsamen Podiums, bei einem Markt der Möglichkeiten und in Workshops stellten die Projekt-Partner*innen bei der Abschlusstagung die Ergebnisse des Projekts, das von den FCZB-Mitarbeiterinnen Judith Engelke und Sabine Irmer koordiniert wurde, vor. Die Resultate der Digitalen Akademie Pflege 4.0 können sich sehen lassen:
- Coachings on the Job zur Digitalisierung der Lehre für über 80 Lehrende an zwei Pflegeschulen (Einzel- und Gruppencoachings)
- Workshops zu Bildung und Digitalisierung
- Schulübergreifender Erfahrungsaustausch für Lehrende in mehreren Projekt-Hubs
- 2 Zukunftswerkstätten für Pflegeschüler*innen
- Einführung des Lernmanagementsystem Moodle am Gesundheitcampus Potsdam
- Unterstützung bei der Entwicklung von Blended-Learning-Einheiten als frei zugängliche OER (Open Educational Resources)
- Online-Mikrofortbildungsreihe „Digitaler Snack“ für Pflegelehrende aus ganz Deutschland
- Entwicklung der Online-Plattform Digitale Akademie Pflege 4.0 (partizipative Softwaregestaltung mit Lehrenden und Auszubildenden der beteiligten Pflegeschulen)
- Aufbau von Kooperationen und einer Community of Practice
- Begleitforschung: partizipative Evaluation zu digitalen Kompetenzen in der Pflegedidaktik
Coaching on the Job: In Begleitung zur digitalen Lehre
Von Projektbeginn an holten die beiden Digitalcoaches Svenja Marschall und Ute Kalender die Pflegelehrenden dort ab, wo diese in puncto Digitalisierung der Lehre standen – gegebenenfalls also ganz am Anfang. Bei den ersten Schritten ging es zum Beispiel um die für die Lehre in Corona-Zeiten dringend benötigten Videokonferenz-Tools.
Mit den bedarfsorientierten Einzel- und Gruppen-Coachings entwickelten die Pflegelehrenden einen sicheren Umgang mit der neuen digitalen Lernumgebung. Auf dieser Basis konnten die Lehrenden ihrerseits die Auszubildenden beim digitalen Lernen unterstützen.
Auch wenn sich unter den Anwesenden wohl niemand die Zeiten zurückwünscht, in denen Lernen nur online möglich war: Einig sind sich heute alle, dass das digitale Lernen auch in Zukunft seinen Platz im Curriculum behalten wird. Große Chancen sehen die Projektbeteiligten vor allem im Blended-Learning-Format, also in der Kombination von Präsenz- und Online-Lernen.
Blended-Learning: individuell und praxisnah
Blended Learning fördert – so Anna Schlicht, Schulleiterin der Wannseeschulen – das selbstständige Lernen – und ist damit „wertvoll für den späteren Pflegealltag, in dem die Pflegenden selbstständig Entscheidungen treffen müssen“.
Beispiele für den konkreten Einsatz digitaler Tools bot der Markt der Möglichkeiten. Gleich in zwei Räumen ging es um die Einsatzmöglichkeiten von Virtual-Reality-Brillen in der Pflegeausbildung. Tim Schure, der Digitalisierungsbeauftragte der Wannseeschulen, stellte eine der Anwendungen vor: Mit der VR-Brille können Lernende Situationen vor-erleben, auf die sie im späteren Berufsalltag treffen werden. Bei einer Routineaufgaben wie dem Pulsmessen kann das erste Üben mit der Virtual-Reality-Brille helfen, Berührungsängste gegenüber realen Patient*innen abzubauen.
Blended-Learning-Einheiten können außerdem, so Prof. Dr. Petra Lucht, der Heterogenität der Lernenden Rechnung tragen. Auf diese Heterogenität hinsichtlich von Bildungsstand, Alter oder Erstsprache hat das Team der TU Berlin (Prof. Dr. Petra Lucht, Sandra Tausch, Sebastian Gotzmann und Dr. Sahra Dornick), das die Einführung des digitalen Lernens an den beiden Pflegeschulen mit einer partizipativen Evaluation begleitete, besonderes Augenmerk gelegt. Mit der Generalistischen Pflegeausbildung, die sowohl auf die Arbeit als Kranken-, Kinder- als auch als Altenpfleger*in vorbereitet, ist die Gruppe der Lernenden heute noch diverser als vorher.
Wie Blended-Learning-Einheiten hier konkret ansetzen, zeigt das Good-Practice-Beispiel zur Biografieorientierung, das ein Team des GCP beim Markt der Möglichkeiten vorstellt. Hier lernen die Auszubildenden in ihrem individuellen Tempo, können zwischen verschiedenen Methoden und Vertiefungsmöglichkeiten wählen und ihr Wissen eigenständig mit Selbsttests überprüfen. Das holt Lernende nicht nur an ihrem jeweiligen Wissensstand ab, sondern wirkt teilweise eher wie ein Computerspiel als wie eine Lerneinheit – und macht Spaß.
Auch in den Workshops beschäftigen sich Kleingruppen zum einen mit dem Coaching on the Job, zum anderen damit, wie gelingendes Blended-Learning aussehen kann.
Die Plattform DAPF 4.0: Tool-Box für Lehrende und Lernende
Eine Verstetigung der Arbeit des ausgelaufenen Projekts DAPF 4.0 bietet die Moodle-Plattform, die das Team der HWR Berlin (Prof. Dr. Heike Wiesner, Judith Schütze, Holger Zimmermann) mit einem partizipativen Ansatz entwickelt hat. Die offene digitale Plattform versammelt die im Rahmen des Projekts entstandenen didaktischen und interaktiven Materialien. Pflegelehrende und Praxisanleitende genau wie Lernende können die Materialien jetzt nutzen. So ist sichergestellt, dass die Inhalte auch nach dem Ende des Projekts zugänglich bleiben.
Dass hier nicht Schluss sein darf, betont Prof. Dr. Petra Lucht: Sie ruft dazu auf, jetzt an den Kompetenzerwerb während des Digitalisierungsschubs in der Covid-19-Pandemie anzuknüpfen.
Das digitale Lernen hat gerade erst richtig angefangen
Der Tag am Wannsee hat gezeigt, dass die digitale Transformation der Pflegeausbildung natürlich Geräte, Tools und digitales Know-how braucht. Genauso nötig aber ist eine adäquate didaktische und pädagogische Begleitung des Prozesses. Es geht, so Christel Bässler, auch um die pädagogische Beziehung zwischen Lehrenden und Auszubildenden und darum, dass die Lernenden den Nutzen des Gelernten erkennen. Kurz: Das digitale Lernen ist komplex – und hat „gefühlt gerade erst richtig angefangen“.
Dem schließt sich Svenja Marschall an: „Die digitale Transformation braucht Zeit, Ressourcen und Raum für Austausch“. Basis für eine gelingende Digitalisierung seien außerdem Digitalisierungsbeauftragte an Schulen. Und eigentlich ganz einfach: Damit mehr Schulen unterstützt werden können, müssen mehr Digitalisierungscoaches ausgebildet werden.
Hoffnung macht, dass aus der Berliner Senatsverwaltung zu hören ist, dass das digitale Lernen in der Pflegeausbildung gesetzlich verankert werden soll.
DAPF war’s? Wie weiter mit der Digitalen Akademie Pflege 4.0?
Damit das Know-how und die umfangreiche Praxiserfahrung nicht verloren gehen, wäre eine Etablierung der frei zugänglichen DAPF-Online-Plattform auf Bundesebene wünschenswert, macht Dr. Karin Reichel, Geschäftsführerin des FCZB, deutlich. Und betont die Notwendigkeit weiterer Vernetzung. Beides braucht natürlich Zeit, Strukturen – und eine entsprechende Finanzierung.
Auch personelle Ressourcen sind nötig – am besten, so Heike Wiesner: 10 Teams, die mit den erfolgreichen Coachings on the Job weiterhin Pflegelehrende bei der digitalen Transformation begleiten – bundesweit und danach, warum nicht optimistisch sein, auf europäischer Ebene.
Das entspräche dann vielleicht in Ansätzen dem gesellschaftlichen Stellenwert, den die Pflege haben sollte.
Fotos © Christian Kielmann: Kielmann@web.de