In den ersten vier Sessions ging es um digitale Mündigkeit, Ideen für On- und Offlinekommunikation, Digitalisierung und Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt sowie um digitale Medien in frauenspezifischen Projekten.
Digitale Mündigkeit
Sessiongeberin Leena Simon ist graduierte (Netz-)Philosophin und beschäftigt sich u.a. mit Datenschutz, Freiheits- und Urheberrechten, Frauenpolitik, freie Software und digitaler Mündigkeit. Um letzteres ging es in ihrer gleichnamigen Session.
In ihrer kurzen Einführung ging es um Vertrauen und die Frage, wie weit wir „dem“ Internet vertrauen wollen und können. Wer liest sich schon alle AGB durch, bevor sie auf „okay“ klickt? Wer versteht alles, was dort geschrieben steht? Woran machen wir fest, wem oder worauf wir im Netz vertrauen können?
Wenn du musst, dann musst du
Leenas Vergleich des Internets mit öffentlichen Toiletten scheint auf den ersten Blick lustig, doch die Analogie liegt näher als frau denkt. „Jede [Frau, Anm. d.A.] ist doch so erzogen worden, sich zu fragen, ob sie wirklich auf ein öffentliches Klo gehen will. Kann ich mir hier was einfangen? Ist es sauber? Setze ich mich hin?“ Genau das seien die Fragen bei der Nutzung des Netzes. Aber: Für das eine wie das andere gelte: „Wenn Du musst, dann musst Du.“ Und deswegen, so Leena, gibt es für beides ein paar Regeln.
- „Nein“ ist keine Option
- auf Hinweise achten
- Vorsichtsmaßnahmen ergreifen
- üben, üben, üben
Officest du noch oder bist du schon mündig?
Es gebe zu viel unfreie und komplizierte Software und Apps mit versteckten und/oder unverständlichen Bedienungsanleitungen. Das mache es schwierig, die Funktionsweise .zu verstehen. Auch die Trainings der Anbieter seien oft zu oberflächlich, um den Hintergrund zu verstehen und zu erkennen, worauf man sich einlässt.
Eine Frage der Solidarität
Fast jede kennt die Situation: Du sitzt in der U-Bahn und hast das Gefühl, die Person gegenüber filmt oder fotografiert dich. Ein unangenehmes Gefühl. Das möglicherweise auch andere haben, während du wahrscheinlich nur deine Mails liest oder twitterst. Zur digitalen Mündigkeit gehört für Leena Simon deswegen auch die Bereitschaft, sich für andere verantwortlich zu fühlen. Das bedeutet z.B., die externe Kamera des Smartphones abzukleben oder von deinem Gegenüber wegzudrehen.
Auch das ungefragte Hochladen von Kontaktdaten, z.B. bei whatsapp oder anderen Messengerdiensten, sei unsolidarisch. „Verurteile keine Person dafür, dass sie einen bestimmten Messengerdienst NICHT nutzt, weil sie z.B. nicht mit den AGB einverstanden ist oder sie nicht versteht. Gruppenzwang darf nicht zur Ausgrenzung führen. Überlegt besser gemeinsam, welche Dienste datenschutz- und abhörtechnisch sicher sind. Seid transparent bei Eurer Kommunikation – und kommuniziert am besten verschlüsselt.“
Achtung Filterblase
Hach, was ist das Leben schön,wenn wir alle einer Meinung sind. Oder? Haben wir überhaupt noch eine eigene Meinung, wenn unser Weltbild immer nur bestätigt, aber nie herausgefordert wird? Wer digital mündig ist, so meint LeenaSimon, verlässt die eigene Filterblase und vertraut nicht gleich dem ersten Google-Treffer. Wer sich mit anderen Meinungen auseinandersetze, über inhaltliche Unterschiede nachdenke und sich daran reibe, der stehe für Fortschritt.
Zwischen Fake News und Wahrheit
Im Journalismus gehört es zum Pressekodex, Informationen nicht ungeprüft zu veröffentlichen. Mindestens eine zweite unabhängige Quelle sollte die Aussage bestätigen. Das könne jede*r auch für eigene Posts übernehmen. „Glaubt nicht alles. Vor allem,wenn ihr es glauben wollt“, gibt die Netzphilosophin den Teilnehmerinnen mit auf den (digitalen) Weg. Und empfiehlt:
- Rückwärtssuche mit tineye.com
- Überprüfen auf Kettenbrief, Hoaxo.ä. mit der entsprechenden Infoseite der TU Berlin
- nur Grafiken mit Quellenangabe verwenden
Safer Net
Im Jahr 2018 war das beliebteste Passwort der Deutschen die Ziffernkombination „123456“. Ein absolutes No-go. Leena Simon empfiehlt:
- Denk dir einen Passwortsatz aus, z.B. „IkmbFs82“. Steht für „Ich kenne meine beste Freundin seit 82“.
- Dein Passwort sollte mindestens 14 Zeichen haben
- Es sollte besser lang als kompliziert sein
- für jeden Account ein eigenes Passwort
- empfehlenswert ist eine Passwortverwaltung
- Hinterfrage IMMER
- Behalte die Kontrolle über deine eigenen Daten und die Deutungshoheit
- Kenne und verteidige deine Grundrechte
- Nutze deine Auskunftsrechte
Frei oder free?
Auch über den Unterschied zwischen freier und kostenloser Software hat Leena Simon gesprochen. Freie Software ist Open-Source-basiert, d.h. der Quellcode ist immer einsehbar.
Leenas Empfehlung: Niemand muss alles verstehen. Jede Frau sollte aber versuchen, ihre Abwehrreflexe vor dem Digitalen zu überwinden und sich drauf einlassen. „Übt digital mündig zusein, wann immer ihr könnt.“
Online-Offline-Sichtbarkeit für Plattformen und Initiativen
Mandy Schoßig stellte die Plattform speakerinnen.org vor: Hier haben sich rund 2.500 Frauen als Sprecherin zu unterschiedlichsten Themenbereich registriert.
Ziel der Plattform ist es, zu zeigen, dass es Frauen aus allen Branchen gibt, die etwas zu sagen haben und als Expertin angefragt werden können. Ziel ist es auch, mehr Sprecherinnen aus dem MINT-Bereich zu gewinnen und bei Event-Organisator*innen bekannter zu machen.
Der Austausch war sehr rege, z.B. zwischen Instagram-affinen Aktivistinnen und erfahrenen Blogschreiberinnen bzw. twitternden Journalistinnen. Einig waren sich die Teilnehmerinnen, dass alle Formen der Kooperationen genutzt werden sollten.
Für Twitter haben sie dafür konkrete Ideen entwickelt:
- Leuten folgen, die was Ähnliches machen, sich vernetzen, retweeten
- Immer im Dialog bleiben, auf Tweets immer antworten, auch kurz z.B. mit einem „Danke“
- Einzelne Speakerinnen vorstellen
- In einem Kurzvideo sich selbst bzw. die Frauen hinter der Plattform vorstellen
- News-Hijacking, d.h. aus Nachrichten Geschichten schreiben
- Es braucht unbedingt einen guten Hashtag als Visitenkarte im Netz
- Logo entwickeln, das sowohl die Speakerinnen nutzen können („Ich bin eine Speakerin“) als auch die Eventorganisator*innen („Ich habe eine Speakerin bei Speakerinnen.org gefunden“). Das sorgt für ein gutes Image
Die Vertreterinnen von Stimmrecht gegen Unrecht zeigen, wie der Übergang von online zu offline funktionieren kann. Beide sind als Privatpersonen bei Instagram aktiv und haben darüber spontan eine Menschenkette vor dem Bundestag organisiert, die sich für die Abschaffung von § 219a eingesetzt hat. Sie betonten, wie wichtig es ist, Kooperationen strategisch zu planen, auch außerhalb der Blase zu denken und other peoples audiences zu nutzen (z.B. das Stadtmagazin „Mit vergnügen – Berlin“ )
Weitere Ideen
- eigene Veranstaltung anbieten, z.B. zum Launch eines Hashtags, um bekannter zu werden
- bei Veranstaltungen mit rein/überwiegend männlichen besetzten Podien Frauen als Speakerinnen aktiv einfordern oder über die Plattform direkt vorschlagen
- Follower*innen auf Twitter dazu anregen, Missstände auf Podien direkt zu tweeten
- mit einem Blog konstanter sichtbar als auf Twitter etc.
Digitalisierung und Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt
Ist Digitalisierung gut oder schlecht für die Gleichstellung am Arbeitsmarkt?
Welche Chancen und Risiken gibt es für Frauen?
Welche Handlungsoptionen haben sie?
Für diese und andere Fragen suchte Sessiongeberin Lisa gemeinsam mit den Teilnehmerinnen nach Antworten.
Am Beispiel einer Single-Selbstständigen wurde über unterschiedliche Perspektiven kontrovers diskutiert:
- Gefahr der Entkopplung von Lohn und Zeit (Gefahr, zu viele Stunden zu arbeiten)
- Chance, flexibel zu sein
- überhaupt einen Job zu machen
- Einsamkeit durch alleiniges Arbeiten vs. Communities
- Vernetzung als aktuelles Thema für solo-selbstständige Frauen, die aktiv ihre Communities suchen müssen – real und online
- Arbeit von Freien durch Digitalisierung wird nicht sichtbar – wie die jahrzehntelange geleistete Hausarbeit von Frauen
- Machtverhältnisse in der digitalen Welt sind nicht neutral. Frauen werden weiter diskriminiert
- Neueste Technik wird bejaht, aber was daraus gemacht wird, muss mitgestaltet werden
Fazit: Damit Frauen an der digitalen Welt teilhaben können, braucht es Motivation, Ressourcen, Räume, digitale Kompetenz, politische Zugänge und zivilgesellschaftliche Teilhabe. Dann ist Digitalisierung für die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr nur Risiko, sondern eine Chance.
Digitale Medien in frauenspezifischen Projekten
Sessiongeberin Karin Gantke von Marie e.V. hat über die digitale Ausstattung in Berliner Frauenprojekten gesprochen. Alle haben eine Website, z.T. mit Forum. Viele betreiben ein Blog und verschicken regelmäßige Newsletter. Einige nutzen bereits kollaborative Tools wie Whatsapp, Telegram, Trello, Slack und Google-Gruppen.
Viele Frauen wollen ihre Medienkompetenz ausbauen, doch wie so oft fehlt die Zeit. Das gelte auch, so die Teilnehmerinnen, für den Aufbau eines Social-Media-Plans und der dazugehörigen Policy.
Nächste Schritte
- Slack für kollegiale Beratung nutzen
- Digitalforum für Frauenprojekte
- Wissensmanagement als Thema für das nächste Barcamp
- Wünschbar: Youtube-Video
- Frauen-Apps Anti-Gewalt