Erfolgsgeschichten: IT-Trainings für geflüchtete Frauen. Aus dem Reisetagebuch der MIKADO-Multiplikator*innen-Schulung (1)

Unsere Multiplikator*innenschulung MIKADO konnte in den letzten zwei Jahren Projekte aus ganz Deutschland bei der Umsetzung von IT-Trainings für geflüchtete Frauen begleiten. Die MIKADO-Mitarbeiterinnen haben einige dieser IT-Trainings besucht und stellen sie in ihrem Reisetagebuch vor. Teil 1: Leipzig. Von Amina Rayan.

 

Teilnehmerinnen des FCZB-Projekts MIKADO geben IT-Training für geflüchtete Frauen im Stadtteilzentrum MÜHLSTRASSE 14 e.V. in Leipzig.

Leipzig, Stadtteilzentrum Mühlstrasse 14 e. V.

Vor dem Eingang der Mühlstrasse 14 e.V. steht ein blaues Schild, das die regelmäßigen Angebote des soziokulturellen Stadtteilzentrums ankündigt. Neben einem offenen Jugendtreff gibt es einen Sportkurs für Mütter mit ihren Babys. Jeden Donnerstag findet Yoga statt. Seit einer Woche gibt es ein neues Kursangebot, das noch nicht auf der Tafel abgebildet ist: Ein Computertraining für geflüchtete Frauen.

Donnerstagmorgens um 9:30 Uhr findet das Training im Raum des Jugendtreffs statt. Zwei Teilnehmerinnen sitzen bereits an einem großen Tisch. Vor ihnen stehen aufgeklappte Laptops. Eine dritte Teilnehmerin soll noch kommen. Die Trainerin Rand A. wiederholt mit den beiden die Vokabeln der letzten Trainingseinheit. Was bedeutet „löschen“, „minimieren“, „Text“ oder „kopieren“? Rand stellt die Fragen auf Arabisch, nur die IT-Vokabeln sagt sie auf Deutsch. Weil der Ständer des Flipcharts klemmt, schreibt Rand die IT-Begriffe mit einem Edding auf bunte Karten, die sie an einen Boxsack klebt, der an einer Metallkette von der Decke hängt.

Ich bin noch aufgeregt, bevor der Kurs startet

„Ich bin noch aufgeregt, bevor der Kurs startet“, sagt Rand. Sie ist eigentlich Sozialarbeiterin bei MÜHLSTRASSE e.V. und im Kurs zum ersten Mal Lehrerin. Deshalb glaubt sie, dass sie noch mehr Erfahrung braucht. Die Teilnehmerinnen merken davon nichts. Im Kurs hören sie Rand aufmerksam zu und sprechen ihr die deutschen IT-Vokabeln nach. Alle drei haben ein A1-Deutsch-Niveau und sind Computer-Anfängerinnen. Eine Frau ist auch in ihrer Muttersprache Arabisch Analphabetin. Eine andere ist erst vor einem Jahr über die Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen, mitten in der Pandemie. An einem Deutschkurs konnte sie wegen des Lockdowns nicht teilnehmen. Die dritte ist alleinerziehende Mutter eines Kindes. Während der Pandemie war es auch für sie unmöglich, regelmäßig an einem Deutschkurs teilzunehmen.

Als arabischsprachige Sozialarbeiterin ist Rand in Leipzig gut vernetzt. Teilnehmerinnen für den Kurs zu finden war leicht für sie. Sie sprach zehn Frauen an, fünf hatten Interesse an dem IT-Training. Da zwei von ihnen kleine Kinder haben, können sie nicht teilnehmen. So meldeten sich schließlich drei Frauen an. „Mehr als vier Teilnehmerinnen wären zu viel“, stellt Rand nun, nachdem der Kurs gestartet ist, fest. Da die Frauen IT-Anfängerinnen sind, brauchen sie viel individuelle Unterstützung, das wäre mit einer größeren Gruppe nicht zu bewerkstelligen.

 

Individuelle Unterstützung beim IT-Training für geflüchtete Frauen.

 

Trainingseinheit E-Mail

Als die dritte Teilnehmerin ankommt, beginnt das eigentliche Training: Es soll heute um E-Mail gehen. Die zweite Trainerin, Vicky P., hat Lernmaterial vorbereitet, das sie auf einem an der Wand angebrachten Flachbildschirm präsentiert. Mit einem Billardstock zeigt sie auf die Folien. Vicky erklärt auf Deutsch, Rand übersetzt ins Arabische. Den Trainerinnen ist wichtig, dass die Frauen Deutsch hören. Auch die Teilnehmerinnen wollen es so.

Schnell stellt sich heraus, dass alle drei Lernerinnen bereits ein Gmail-Konto haben, dies jedoch nicht wussten. Das kommt oft unter IT-Anfänger*innen vor: Wer ein Android-Handy hat, braucht auch eine Gmail-Adresse. Häufig richten Freund*innen oder Verwandte das Handy und die Gmail-Adresse ein. Das erklärt, warum den Frauen nicht bewusst ist, dass sie bereits ein E-Mail-Konto haben. Spontan strukturieren Rand und Vicky das Training um. Statt ein E-Mail-Konto zu erstellen, lernen die Frauen, was ihre E-Mailadressen und Passwörter sind und wie sie sich am Laptop in ihr E-Mail-Konto einloggen können. „Ich muss mich noch mehr mit der Sprachbarriere auseinandersetzen“, sagt Vicky. Die sprachliche Hürde habe sie am meisten überrascht im Kurs.

Nachdem die Frauen in ihre Gmail-Accounts eingeloggt sind, erklärt Vicky, wie sie sich aus- und dann wieder einloggen können. Als nächstes bekommen sie die Aufgabe, sich gegenseitig eine E-Mail zu schreiben.

 

Ergebnis der MIKADO-Multiplikator*innenschulung: IT-Training für geflüchtete Frauen. Die Trainerin erklärt, wie ein E-Mail-Programm funktioniert.

 

Auf MIKADO wurden die zwei Trainerinnen über eine Kollegin aufmerksam. Die zwei seien sofort motiviert gewesen an der beruflichen Weiterbildung teilzunehmen. Da die Mühlstrasse 14 schon lange plant, einen Medienbereich aufzubauen, passt das Angebot gut zur Agenda des Vereins. Die Laptops für den Kurs spendete eine Consultant-Firma.

Am Ende des Kurses gehen die Trainerinnen mit den Frauen durch, was sie heute gelernt haben. Dann besprechen sie das nächste Training. Es wird wieder um das Thema E-Mail gehen. Beim nächsten Mal werden die Frauen längere E-Mail-Texte abtippen und verschicken, um das Tippen und den Umgang mit der deutschen Tastatur zu trainieren.

 

Fotos: Amina Rayan
Mehr Informationen zum Stadtteilzentrum MÜHLSTRASSE 14 e.V. in Leipzig gibt es hier.


Das Projekt MIKADO – Multiplikator*innen-Schulung Digital Empowerment wird gefördert aus den Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.

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