Gute Frauen gibt es viele – drei der besten haben wir fürs FCZB gewinnen können: Petra Heidenfelder, Johanna Voll und Heike Wiesner stellen den neuen Vorstand des FrauenComputerZentrumBerlin e.V. Was sie antreibt, wo sie die Potenziale des FCZB sehen und wie sie sich engagieren wollen, beschreiben sie in diesem Blogbeitrag.
Seit 2009 ist Heike Wiesner Professorin für Betriebliche Informationssysteme im Studiengang Wirtschaftsinformatik an der HWR Berlin.
Sie liebt ihren Beruf, weil er ebenso aktuell wie herausfordernd ist. Ihre Forschungsinteressen bewegen sich in den Bereichen Betriebliche Informationssysteme, Wissensmanagement, E-Learning und MOOC-Entwicklung. Seit 2016 ist die Wissenschaftlerin in dem aktuellen Forschungs- und Entwicklungsfeld Transformative Technologien, insbesondere in dem Feld Robotik unterwegs.
Was treibt Sie an?
Spontan würde ich sagen, ich treibe mich selber immer und unaufhörlich an. Aber das reicht sicherlich nur aus, um im klassischen Sinne erfolgreich zu sein. Nein, mich treibt eine Leidenschaft an, einen echten Beitrag für die Gesellschaft leisten zu wollen. Ich habe neben einem Bildungsauftrag auch den Wunsch, dass die Menschen, mit denen ich arbeite – sei es Studierende, Kolleg*innen oder auch „nur“ Zuhörende – einen echten Impuls spüren, (transformativen) Technologien für vielfältige Gesellschaftsgruppen (mit)zuentwickeln.
Wer sind die Gewinner*innen und wer die Verlierer*innen der Digitalisierung? Automatisierung und Optimierung um jeden Preis ist m.E. sehr inhuman. Darüber muss mehr gesprochen werden. Und ganz wichtig: Wir benötigen dafür Fachkräfte, die diese Fragen mit in ihre Entwicklungsaufgaben reinnehmen.
Wie ist die Verbindung zum FCZB entstanden?
Die einfachste Antwort ist: Ich wurde gefragt. Die zweite Antwort lautet: Der Zufall hat es gut gemeint. Networking führt zum Austausch von gemeinsamen Ideen und Konzepten – mal intendiert und auch mal unintendiert. Aber es ist sicherlich richtig, festzustellen, dass die Interessen zusammentreffen.
Das Anliegen, den Anteil von Frauen im IT-Sektor zu steigern, ist dabei sicherlich die wichtigste Schnittstelle. Und das ist auch gut so. Wenn Sie sich mit den Projekten und den Aufgabenstellungen vom FCZB befassen, gibt es sicherlich noch mehr Schnittstellen. Neben Genderaspekten kommen auch Diversitätsaspekte zum Tragen. Und schnell stellen Sie fest, es geht um Partizipation und Teilhabe an dem Prozess der Digitalisierung und zwar von diversen Bevölkerungsschichten.
Wo sehen Sie die besonderen Potenziale des FCZB?
In dem Bereich Frauen und IT hat das FCZB sehr viel geleistet. Dort arbeiten viele hochengagierte Menschen, die einen echten gesellschaftlichen Beitrag leisten. Das besondere Potenzial liegt neben dem starken Engagement aller Akteur*innen auch sicherlich darin, dass es sich bei dem FCZB inzwischen um eine sehr etablierte Institution handelt. Neben IT-Fort- und Weiterbildungsangeboten für Frauen aus diversen Bevölkerungsgruppen wird auch zunehmend der politische Impetus des FCZB für die Gesellschaft im Zuge der Digitalisierung immer bedeutsamer.
Welche gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen sind wichtig, um Gleichstellung und Vielfalt umzusetzen?
Im Grunde lässt sich das mit drei Stichworten umreißen:
- Gestaltbare Technologien fördern und einsetzen
- Diversity-/Gender-Aspekte in Technikgestaltungsprozessen durchgängig berücksichtigen
- Mehr Frauen (und Menschen mit Migrationshintergrund) für den Informatikbereich als Akteure stärken und gewinnen
Mit welcher Expertise können Sie das FCZB auf diesem Weg unterstützen?
Mein Interesse liegt weniger in der Beratung, sondern in der Schaffung von gemeinsamen Gestaltungsräumen. Partizipation ist somit der Schlüsselbegriff. Gemeinsame Projekte, gemeinsamer Austausch, gemeinsame Strategien. Wer meinen Sachverständigenbericht an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag liest, kann nur zu dem Schluss kommen, dass insgesamt noch viel mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, um den Anteil von Frauen im IT-Bereich zu steigern.
Mehr Informationen zu Prof. Dr. Heike Wiesner
Petra Heidenfelder ist Rechtsanwältin für Insolvenz- und Arbeitsrecht und arbeitet seit vielen Jahren in einer bekannten Frankfurter Kanzlei.
Was treibt Sie an?
Ich war immer der Auffassung, dass Frauen die gleichen Rechte und Fähigkeiten haben wie Männer. Dies wollte ich mir, meinen Eltern und meiner Familie beweisen. Ich habe sehr früh, schon mit Ende 20, Führungspositionen innegehabt, Leiterin einer Sanierungsabteilung in der Commerzbank, Filialleiterin einer Commerzbank-Filiale in Cottbus.
Ich habe dort versucht mit meinen weiblichen Fähigkeiten, gepaart mit juristischem Wissen, zu führen und zu leiten. Später war ich Geschäftsführerin einer Firma, die Banken beraten hat. Von ca. 40 Mitarbeitern waren nur vier Frauen. Mir war es auch immer wichtig, gleichwertig wie die Männer in vergleichbaren Positionen bezahlt zu werden. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Heute berate ich Kolleginnen und junge Frauen, wie sie sich im Berufsleben durchsetzen können und sich nicht zurückdrängen lassen.
Ich habe sehr aktiv bei dem Projekt des Deutschen Juristinnenbundes (DJB) mitgearbeitet: Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten und Vorstandsposten in DAX-Unternehmen. Es gibt noch viel zu tun, dass Frauen in Deutschland gleichwertig in Führungspositionen eingesetzt werden und das Wirtschaftsleben mitgestalten und Einfluss nehmen. Alleine durch die zunehmende Berufstätigkeit bei Frauen wird sich die zu geringe Beteiligung von Frauen in der 1. und 2. Führungsebene bei Unternehmen nicht ändern. Es bedarf der bewussten Förderung von Frauen für die Besetzung von Führungspositionen.
Wie ist die Verbindung zum FCZB entstanden?
Die Idee kam von Dr. Karin Reichel, die ich bei dem Zertifizierungslehrgang Strategische Kompetenzen für Frauen in Aufsichtsräte 2015/2016 kennengelernt habe.
Wo sehen Sie die besonderen Potenziale des FCZB?
Ich glaube, dass ich das FCZB mit meiner juristischen Fachkenntnis und meiner Expertise im Bereich Unternehmensberatung vor allem im wirtschaftlichen Bereich unterstützen kann. Es sollte eine solide finanzielle Grundlage geschaffen werden und möglicherweise neben dem Hauptfinanzierer, dem Berliner Senat, noch andere Finanzierungsquellen erschlossen werden, um eine langfristige Existenz des FCZB zu sichern.
Mit welcher Expertise können Sie das FCZB auf diesem Weg unterstützen?
Ich versuche eine Vernetzung mit dem Deutschen Juristinnenbund DJB herzustellen, der im September 2019 in Halle seine Jahrestagung unter dem Blickwinkel "Frauen und Digitalisierung" abhalten wird. Hier könnte das FCZB mitwirken und so unter Juristinnen auch eine bundesweite Sichtbarkeit herstellen.
Welche gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen sind wichtig, um Gleichstellung und Vielfalt umzusetzen?
Ich halte es für dringend notwendig, dass mit der zunehmenden Digitalisierung Frauen gleichwertig in diesem Bereich arbeiten und sich bei Projekten und eventuell auch bei Gesetzgebungsvorhaben einzubringen. Wenn Frauen hier nicht mitwirken, besteht die Gefahr, dass bei der Digitalisierung männliche Sichtweisen im Vordergrund stehen.
Die Digitalisierung wird Arbeitsplätze verändern, neue Arbeitsplätze gestalten, und hier müssen die Frauen ihre Kompetenz miteinbringen. Nur wenn das Know-how hierzu auch bei den Frauen vorhanden ist, können sie aktiv im Berufsleben ihren Arbeitsplatz mitgestalten.
Um dies zu gewährleisten, ist es notwendig, dass das FCZB als Experte anerkannt ist, um Frauen im Bereich Internet, Digitalisierung auszubilden und diese Erfahrungen auch im politischen Bereich einzubringen.
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Johanna Voll ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).
Dort beschäftigt sie sich mit neuen Formen der Erwerbsarbeit, insbesondere mit Coworking-Spaces und schaut aus soziologischer Perspektive auf die kollaborative Praxis innerhalb dieser neuen Arbeitsorte. Gemeinsam mit ihren Studierenden und im Rahmen ihres Dissertationsprojektes erforscht sie neue Formen der Gemeinschaftsbildung in der Spätmoderne.
Ehrenamtlich aktiv ist Johanna Voll u.a. im erweiterten Vorstand der German Coworking Federation e.V. und der European Coworking Assembly aktiv. Hier ist sie u.a. an der Entwicklung einer digitalen Forschungsdatenbank beteiligt, der Coworking Library. In ihrem Wohnort Halle setzt sie sich mit dem Schwemme e.V. für den Erhalt einer alten denkmalgeschützten Brauerei ein, auch um diesen Ort perspektivisch als kollaborativen Arbeitsort zu öffnen. Gelegentlich unterstützt sie die Stiftung Bürgermut in Berlin im Organisationsteam der Opentransfer-Camps im gesamten Bundesgebiet.
Was treibt Sie an?
Der rege Austausch mit meinem Studierenden hat einen großen Einfluss auf meine tägliche Arbeit. Ich versuche oft, Konzepte im Bereich des Forschenden Lernens umzusetzen und sowohl in Lehre als auch meinen anderen Projekten wirklich gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Der Prozess, im Sinne eines gemeinsam gestalteten Weges und die Einbeziehung aller, ist mir dabei wichtiger als eine reine Ergebnisorientierung. Ich bin von dem tiefen Glauben überzeugt, dass der Mensch grundlegend gerne kooperiert und erst durch Vielfalt und Inklusion wirkliche Weiterentwicklung und letztlich auch Innovation stattfindet.
Wie ist die Verbindung zum FCZB entstanden?
Eine gute Freundin machte mich auf das FCZB aufmerksam. Zugegebenermaßen kannte ich es vorher nicht und musste feststellen, dass es viele Überschneidungspunkte zu mir bekannten Frauenprojekten gibt. Diese möchte ich vernetzen und an bestehenden, aber auch neu initiierten Projekten, Weiterbildungen, Meetup- und Workshopformaten mit meiner Expertise mitwirken.
Im täglichen Umgang mit Studentinnen und Studenten, meist der Kulturwissenschaften, kommt es immer wieder zu lebhaften Diskussionen. Feminismus wird dabei teilweise negativ konnotiert verwendet und viele Erfolge der langjährigen Frauenbewegung als selbstverständlich wahrgenommen. Auch vielen Vertreter*innen meiner Generation ist nicht bewusst, wie wichtig die Errungenschaften sind, die bereits erkämpft wurden. Noch immer gibt es so viele Bereiche, in denen wir von wirklicher Gleichstellung weit entfernt sind. Mit meinem Engagement möchte ich hier anschließen und die Diskussion auch im Bereich der neuen Arbeitsformen weiterführen.
Seit annähernd zehn Jahren bin ich alleinerziehend. Ich habe in dieser Zeit zwei Studienabschlüsse erworben, versucht, diverse Jobs – angestellt, aber auch freiberuflich – unter einen Hut zu bekommen und ein Promotionsprojekt aufgenommen. In Bewerbungsgesprächen, im Alltag oder im Kontakt mit Auftraggeber*innen sah ich mich immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Diese hatten nicht immer mit meinen Kompetenzen im jeweiligen Feld zu tun, sondern mit Kinderbetreuungsabsicherungsmaßnahmen, übergriffigen Kommentaren zum fehlenden Vater oder einer generellen Kritik an meinen Lebensentscheidungen. Damit sich das für meine Tochter ändert, engagiere ich mich in der Frauenbewegung.
Wo sehen Sie die besonderen Potenziale des FCZB?
Das engagierte Team und der langjährig aktive Verein sind die starken Grundpfeiler des FCZB. Gerade im Zuge des Wandels der Arbeitswelt ist es wichtig, die Vermittlung digitaler Kompetenzen stets mit den tatsächlichen Ansprüchen abzugleichen. Ich sehe das FCZB daher in erster Linie als einen Ort der Zukunft mit viel Potenzial, den Vor- und Nachteilen der Digitalisierung von Arbeit und Leben angemessen zu begegnen – auch vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen. Die zahlreichen Projekte zeigen schon jetzt, wie außerordentlich breit das FCZB dabei aufgestellt ist und für alle Themen Expertinnen und Lernende zusammenbringt.
Welche gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen sind wichtig, um Gleichstellung und Vielfalt umzusetzen?
Ich denke, eine wichtige Herausforderung bleibt auch im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung die soziale Ungleichheit. Bildung und wirkliche Teilhabe müssen daher stets oberste Priorität haben – immer gepaart mit folgenden Fragen: Wen vergessen wir hier gerade? Wie offen sind wir und unsere Angebote wirklich? Dazu ist die Pflege einer Kultur der Toleranz und Akzeptanz auf Basis von absoluter Gewaltfreiheit unabdingbar. Das FCZB bietet dafür einen idealen Rahmen.
In Hinblick auf die technologischen Entwicklungen bedeutet das: Dranbleiben, aber nicht um jeden Preis. Mit dem Phänomen der digitalen Spaltung (Digital Divide) kann beschrieben werden, dass eben nicht alle von der rasanten Weiterentwicklung profitieren (können). Dabei geht es neben Einkommensunterschieden auch um Bildung, Zugang zu Internet und Technik, Herkunft, Alter oder ganz banal den Stromanschluss. Die Förderung im Bereich „Digital Empowerment“ ist daher wichtiger denn je.
Dabei bieten die oben beschriebenen Veränderungen der Arbeitswelt besondere Potenziale (aber auch Risiken!) in Hinblick auf berufliche Teilhabe von Frauen. Durch flexiblere Optionen zur oft selbstbestimmten Wahl von Arbeitszeit und -ort lassen sich sowohl Erwerbsarbeit, Carearbeit und ggfs. Ehrenamt individuell arrangieren. Natürlich betrifft diese Freiheit nicht alle Berufsprofile gleichermaßen, aber doch immer mehr. Viele Jobprofile der Zukunft sind uns heute noch nicht bekannt. Wichtig ist daher, dass wir diese gemeinsam gestalten. Das FCZB könnte hier als Hub eine zentrale Rolle einnehmen.
Mit welcher Expertise können Sie das FCZB auf diesem Weg unterstützen?
Ich sehe mit der Vergrößerung der Geschäftsräume auch das Potenzial der Schaffung eines kollaborativen Arbeitsortes jenseits der bestehenden Computerpools und Schulungsräume. Dieser sollte im besten Fall niedrigschwelligen Zugang für alle Frauen bieten, um dort Projekte gemeinsam oder alleine umzusetzen, an Ideen zu spinnen und die Wirkung des gut aufgebauten Netzwerks rund um das FCZB zu entfalten. Auch die Umsetzung innovativer Veranstaltungsformate geht damit einher. Mein bestehendes Netzwerk aus der deutschen, aber auch europäischen Coworking-Szene sowie meine universitären Kontakte bringe ich dabei gerne ein.
Mehr Informationen zu Johanna Voll
German Coworking Federation e.V.
Opentransfer (Stiftung Bürgermut)