Coaching on the Job – erste Zwischenbilanz der Digitalen Akademie Pflege (DAPF)

Die Ausbildung von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegenden wird modernisiert und generalisiert. Digitales Lehren und Lernen können helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Ohnehin wird aufgrund der Pandemielage auch in den Pflegeschulen der Unterricht derzeit digital durchgeführt. Für das Lehrpersonal bedeutet das steigende Anforderungen an Lehr- und Lernszenarien. Und das neben dem eigentlichen Pflegejob. Wie das zu stemmen ist und wie digitales Lernen helfen kann, erfahren die Pflegekräfte im Coaching on the Job. Gecoacht werden sie von Ute Kalender und Svenja Marschall aus dem FCZB. Sie beschreiben ihre Erfahrungen der vergangenen sechs Monate im Projekt Digital Akademie Pflege (DAPF).

Coaching on the Job: Das DAPF-Team im Gespräch mit Lehrenden der Wannseeschule ©FCZB

Warum und in welcher Form gibt es bei DAPF-Coachings?

Svenja Marschall (Bildungscaoch): Pflege und Digitalisierung sind wichtige Zukunftsthemen. Deswegen müssen die Lehrerenden in der Pflegeausbildung bei einer sinnvollen Digitalisierung unterstützt werden.

Ute Kalender (Kulturwissenschaftlerin): Die Aufgabe der DAPF-Coachings ist es, eine digitale lerner*innenzentrierte Lernkultur in der Pflegeausbildung zu etablieren. Die Lehrkräfte werden befähigt, digitale Tools zum Selbstlernen und im Unterricht anzuwenden. Damit sollen das kreative Engagement und die aktive Auseinandersetzung mit Themen befördert werden, die die Differenzierung und Individualisierung von Lernwegen und -tempi ebenso ermöglichen wie die Berücksichtigung der individuellen Lernstände. Ziel ist es, allen Lernenden die Teilhabe zu ermöglichen.

Der Einsatz von digitalen Tools bietet Lehrenden zusätzliche Möglichkeiten um Lernsituationen zu gestalten, z.B. multimedial in virtuellen Lernräumen, im Blended-Learning-Format, in Chats, Foren, Blogs, MOOCs. Damit können Lernende ihre Kompetenzen lernortübergreifend und viel flexibler aufbauen. Beispielsweise durch zeit- und ortsunabhängigen Zugriff auf Lernmaterialien, Chats, Foren, MOOCs, digitale Lerntagebücher, ePortfolios etc..

Das Coaching on the Job soll eben genau diesen Zweck unterstützen. Es ist individuell und methodisch-didaktisch auf die jeweilige Person abgestimmt und soll ihr helfen, bereits verfügbare Technologien und Tools einzusetzen sowie Kenntnisse und Kompetenzen auszubauen.

Geplant sind vier Durchgänge mit insgesamt 60 Coachings. Dabei kann ein*e Lehrer*in an mehreren Durchgängen teilnehmen.

Was verspricht sich das Projekt von diesem didaktischen Format? Was war das Ziel?

Symbolbild (Arbeitssituation am Laptop) © Lauren Mancke/Unsplash

 

SM: Es geht um niedrigschwellige Unterstützung, also on the job‘ für die Lehrenden. Keine zeitintensiven unangepassten Fortbildungen, sondern Individuelle praxisrelevante Unterstützung, wann und wo sie gebraucht wird. Wir holen die Lehrenden dort ab, wo sie stehen. Das ist extrem wichtig für eine Berufsgruppe, die ohnehin schon oft sehr ausgelastet ist.

UK: Das Coaching soll keine zusätzliche Last bedeuten und eben auch auf Augenhöhe sein. Mögliche zentrale Fragen sind: Wie kann ich meinen Unterricht mit Hilfe digitaler Medien besser machen? Welche Kompetenzen muss ich dafür erwerben? Wie kann das Lernen der Pflegeschüler*innen durch digitale Tools verbessert bzw. erleichtert werden? Welche Kompetenzen muss ich den Auszubildenden vermitteln, um sie für die Pflege in einer digitalisierten Welt zu qualifizieren?

Die Digitalisierungscoaches sind Expert*innen für den Einsatz digitaler Medien und im Gegensatz zu den Coachees ausdrücklich keine Pflegedidaktiker*innen oder Wissenschaftler*innen. Dadurch findet der Coaching-Prozess auf Augenhöhe statt, fachliche Konflikte können vermieden werden. Da jede*r teilnehmende*r Lehrer*in „on the job“ selbst bestimmen kann, was sie oder ihn interessiert und wobei sie oder er am Arbeitsplatz unterstützt werden möchte, wird ein niedrigschwelliger Zugang zum Projektangebot und ein ressourcenschonendes Vorgehen gewährleistet.

Was bietet Ihr genau an?

Symbolbild (Zwei Frauen Coachingsituation ©Toa Heftiba/Unsplash

 

SM: Eins-zu-eins-Coachings oder eins-zu-zwei, circa alle ein bis zwei Wochen eine Stunde. Zurzeit läuft das nur online, sonst auch vor Ort. Oberthema ist gute Bildung im digitalen Raum. Das heißt konkret: How-To-Tools, didaktische Methoden fürs Online-Lernen, Umstellung von Präsenz- zu Hybrid-Lernen, digitale Lernmaterialien wie Lehrvideos, Lernvideos, Screencasts usw. Es geht um das, was sich Coachees wünschen, wir als Coaches bringen Ideen ein. Und gemeinsam und gleichberechtigt erkunden wir neue Themen und probieren sie aus.

UK: Wir erfassen im ersten Treffen die Interessen und Wünsche der Coachees, formulieren dann zusammen Zielvorstellung und machen Termine fest. Wir treffen uns dann etwa alle zwei Wochen und erarbeiten und neue Tools, Didaktiken, Kenntnissen und Fähigkeiten. Wir stehen jeweils 15 Stunden pro Woche für das Coaching vor Ort zur Verfügung.

Wer sind die Coachees?

Symbolbild (Pflegekraft mit Patientin) ©Hush Naidoo/Unsplash

 

SM: Wir arbeiten mit Lehrende von zwei Pflegeschulen der Berliner Metropolregion.

Welche Bedürfnisse/Themen haben sie?

UK: Viele wollten Videokonferenztools (Zoom) kennenlernen. Es ging um ein How to, um ein angstfreies, tastendes Beschreiten des digitalen Raumes. Zoom probierten wir zum Beispiel immer wieder aus und lernten die umfangreichen Möglichkeiten kennen. In weiteren Schritten ging es dann um digitale Methoden, Aktivierung von Lernenden, Diversity, digitale Gerechtigkeit.

Die Coachees wollen Tools kennenlernen, dort auf dem aktuellen Stand sein und sich vor ihren Schüler*innen sicher bewegen.

In welcher Form finden die Coachings statt?

Symbolbild (Pflegekraft vor Computer) ©Irwan/Unsplash

 

SM: Aufgrund der Pandemie treffen wir uns jetzt fast ausschließlich online. Zukünftig wahrscheinlich Mischform.

UK: Die Coachings waren als Präsenzformat geplant. Leider hat eine Coachee das digitale Coaching abgebrochen – das fand ich schade, weil Onlinecoachings gerade bei digitalen Themen Sinn machen.

Wie viele Coachings gab es bisher?

SM: In der ersten Runde, also bis März 2021 gab es zehn Coachings. Bei mir dauerten die Sitzungen im Schnitt zwischen 30 und 120 Minuten. Aber es gab auch Ausnahmen, z.B. vier Stunden für einen Videodreh.

UK: Insgesamt elf Coachees mit 61 Terminen in mehr als 140 Zeitstunden. Ich mache meist Einzelcoachings, nur einmal ein Gruppencoaching. Das funktionierte gut und war sehr dynamisch, weil wir teilweise die Tools besser ausprobieren konnten – uns zum Beispiel in Teilgruppenräume gegenseitig schicken konnten. Bei Einzelcoachings geht das nicht so gut.

Was unterscheidet diese Coachings von anderen?

SM: Sie sind niedrigschwellig, auf Augenhöhe, praxisorientiert, erkundend, kollegial, explorativ und spielerisch.

Was war für Euch das Überraschendste bzw. Anstrengendste?

Symbolbild (Pflegekraft mit älterer Frau) ©Georg Arthur Pflueger/Unsplash

 

UK: Unverständlich war für mich, dass eine Frau trotz Coronawütung auf Präsenztreffen bestand. Dass viele Treffen vergessen und nicht abgesagt wurden. Dass ich mir keine neuen Themen aufgrund von Zeitdruck mehr erschließen konnte und immer wieder die gleichen Themen coache.

SM: Ich mag es, beruflich tiefer ins Thema Bildung im digitalen Raum einzusteigen. Mein Verständnis wächst für die Pflege, Pflegeausbildung, die tollen Menschen und ihre teilweise schweren Arbeitsbedingungen. Und ich bewundere die Offenheit, Neugierde und Motivation, trotzdem Neues lernen zu wollen.

UK: Das Schöne ist der Kontext – Pflegebereich interessiert und bewegt mich. Die Frauen sind dankbar – ich gebe ihnen viel, das befriedigt. Digitale Kompetenzen scheinen mir fast mit die wichtigsten im Leben und scheinen mir immer wichtiger zu werden. Bei vielen Menschen übt diese Zwangsdigitalisierung einen unglaublichen Druck aus.

SM: Mich hat beeindruckt, wie offen und interessiert die Coachees waren, wie empathisch sie waren für das (neue) Thema und für uns.

Wie geht es weiter?

Symbolbild (Drei Pflegekräfte zeigen Hand-Herz-Zeichen) ©Rusty Watson/Unsplash

 

SM: Im April fängt jetzt die zweite Runde an, bis August sind pro Schule sechs Coachings geplant. Sieben der insgesamt zwölf Treffen werden Doppelcoachings sein. Damit coachen wir 19 Personen, also sieben mehr als geplant. Es gibt schon erste Themenwünsche: Methodenvielfalt, Erstellen von Arbeitsaufträgen, Moodle, Unterrichtsmethoden für Gruppenarbeiten, Ergebnissicherung des Online-Unterrichts, langfristig analoges und digitales Lehren und Lernen sinnvoll miteinander verbinden, Zoom, Feedback.

Wir werden mehr Doppelcoachings durchführen. Am Anfang wird es eine standardisierte Kompetenzerfassung stehen, und am Ende eine Zufriedenheitsbefragung.

In der ersten Phase war der Beginn zu offen, das bedeutete- viel Zeitaufwand für die Organisation. Wir wollen einen flexiblen Standard, d.h. wir legen direkt am Anfang vier Termine fest, alle zwei Wochen circa eine Stunde, danach verabreden wir dann weitere Treffen.

UK: Wie immer, wenn es gewisse Probleme gibt, entsteht ein Begehren nach Standardisierung. Schon zu Beginn der letzten Runde schien mir, dass die Teilnehmenden klarere Vorgaben haben wollten. Weil ich teilweise mit einer Frau über 20 Termine machte und ich eine andere nur zwei Mal sah, gebe ich jetzt vier Termine à eine Stunde für jede vor, plus zwei Stunden Evaluation.

Mehr Informationen über das Projekt findet Ihr auf der Webseite Digitale Akademie Pflege (DAPF)