Seit dem 1. September 2023 hat das FCZB eine neue Geschäftsführung. Die vorherige Geschäftsführerin Dr. Karin Reichel ist nach 6 Jahren zu einer Umwelt-NGO gewechselt. Das bot dem FCZB Anlass für eine größere Veränderung der Organisation. Nicht nur die Köpfe wechseln, sondern auch das Geschäftsführungsmodell: Jetzt teilen sich vier Personen den Job.
Bei einem Meeting mit dem FCZB-Vorstand Anfang des Jahres 2024 hat Karin Reichel den Staffelstab an das neue Vierer-Team übergeben. Im zweiten Teil der Blogserie zum Führungswechsel könnt ihr die Vier ein bisschen kennenlernen. Ihr erfahrt, welche Ideen und Hoffnungen sie mit dem neuen Modell geteilter Verantwortung verbinden und welche Veränderungen im FCZB dadurch möglich werden. Im ersten Teil könnt ihr nachlesen, wie Karin Reichel auf ihre Zeit als Geschäftsführerin zurückblickt.
Die Neuen in der Geschäftsführung
Hallo, ich bin Judith Engelke, Soziologin. Ich arbeite seit 2018 im FCZB, habe bisher verschiedene Projekte geleitet und bin für das interne Qualitätsmanagement zuständig. IT-Trainings führe ich v.a. zum Thema Online-Zusammenarbeit durch. Im Geschäftsführungsteam liegt mein Schwerpunkt auf der Organisationsentwicklung und Portfolioerweiterung, inklusive der Koordination von Projektakquise und Antragstellung.
Ciao, ich bin Elisa Marchese. Ich arbeite seit knapp 10 Jahren als Projektleitung und im Leitungsteam des FCZB. Im neuen Führungsteam bin ich prozessverantwortlich für Personal- und Organisationsentwicklung und arbeite ebenfalls stark im Bereich Projektentwicklung und Fördermittelakquise.
Hi, ich bin Duscha Rosen. Seit meinem Arbeitsbeginn im FCZB 1995 habe ich schon diverse Rollen übernommen: Multimedia-Trainerin, Einführung von transkulturellem Qualitätsmanagement, Projekt- und Produktentwicklung, Aufbau und Leitung des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit und als langjähriges Mitglied der Leitungsrunde auch Organisationsentwicklung. Im neuen FCZB-Geschäftsführungsteam fühle ich mich verantwortlich für strategische Netzwerkarbeit, Lobbying und Kooperationsanbahnungen.
Hallo zusammen, ich bin Janine Rosenheinrich, seit 4 Jahren im FCZB, bis letztes Jahr Verwaltungsleitung und jetzt als Mitglied des Geschäftsführungsteams hauptsächlich für die Finanzen und die Vereinsgeschäfte zuständig.
Wie jetzt, geteilte Führung? Dauert dann alles so lang wie dieses Interview?
Warum habt ihr euch für eine Geschäftsführung zu viert entschieden?
Duscha: Auch wenn wir selbst erstmal überrascht waren, als das Vierer-Modell plötzlich auf dem Tisch lag, ist geteilte Geschäftsführung für das FCZB eigentlich eine folgerichtige Entwicklung. Karin als Geschäftsführerin und Janine als Leitung für Verwaltung und Finanzen waren praktisch seit 2018 schon so etwas wie eine Doppelspitze. Gleichzeitig werden seit vielen Jahren strategische Entscheidungen und wichtige interne Regelungen bereits durch ein Kollektiv, die Leitungsrunde, getroffen. In ihr sind Bereichs- und Projektleiterinnen vertreten. Als Geschäftsführerin hat Karin auch viele Partizipationsangebote an das Team zur Mitgestaltung und Weiterentwicklung der Organisation gemacht. Einiges kam so in Bewegung, es gab mehr Mitsprache und Engagement im Team. Ein Problem war aber, dass wir als Leitungsrunde mit rund 10 Personen öfter wichtige Dinge zwar besprochen, aber sie dann nicht schnell genug entschieden haben, weil sie aus Mangel an Zeit nicht ausreichend vorbereitet waren, weil niemand sich direkt verantwortlich gefühlt hat bzw. die originären Aufgaben als Projekt- oder Bereichsleitung dann immer die Priorität hatten … Anfallende Aufgaben und Arbeiten der Geschäftsführung wurden nicht im gleichen Maße demokratisiert und umverteilt wie ihre Entscheidungsmacht. Das wurde mit zunehmendem Wachstum und Erfolg des FCZB in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen zum Problem.
Janine: Die Führungsaufgaben im FCZB sind im Laufe der Zeit immer vielfältiger und aufwendiger geworden, dies alles durch eine Person abdecken zu wollen, war utopisch und wir hatten im Team auch schon viel darüber gesprochen, dass wir uns hier verändern sollten. Niemand kann alles allein und das Zusammenbringen unterschiedlicher Kompetenzen schafft neue Synergien und tolle unbekannte Herangehensweisen.
Judith: Es werden für die FCZB Geschäftsführung verschiedene Kompetenzen und Erfahrungen gebraucht (Finanzwissen, Netzwerkkompetenz in Berlin, Erfahrung in der inhaltlichen und organisatorischen Umsetzung von Projekten, Portfolioentwicklung, Personalmanagement usw.). Zudem trägt die Geschäftsführung viel Verantwortung, die leichter gemeinsam getragen werden kann. Für Kolleginnen und externe Partner*innen durchgehend ansprechbar zu sein, ist zu viert viel besser zu realisieren. Kurzum: 4 Köpfe bringen mehr Wissen und Erfahrung mit, 8 Ohren hören besser zu und 8 Augen übersehen weniger.
Elisa: Wir können als Team Aufgaben stärker verteilen und einander besser vertreten. Dadurch wird Führung, unabhängig von anderen Aufgaben, z.B. auch in Teilzeit, möglich. Außerdem empfinde ich ein weniger hierarchisch-patriarchales Führungssystem, das nicht nur auf eine Person hin ausgerichtet ist, auch passender für einen gleichstellungspolitischen Verein.
Wir vier arbeiten alle schon mindestens ein paar Jahre im Leitungsteam des FCZB, kennen also die Rahmenbedingungen und Herausforderungen unseres Tagesgeschäfts. Die Einarbeitung in die neuen Aufgaben erfolgt daher relativ zeitnah und ist weniger zeitintensiv. Das ist natürlich auch ein Vorteil gegenüber dem aufwendigen Prozess einer externen Stellenbesetzung mit langwieriger Einarbeitungsphase etc.
Was reizt dich persönlich an der neuen Aufgabe?
Elisa: Mich persönlich reizt es, dass ich meine langjährige Erfahrung aus dem Leitungsteam einbringen und damit nun eine neue Organisationsstruktur fürs FCZB mit aufbauen kann. Mir ist team- und kompetenzorientiertes Arbeiten sehr wichtig und ich freue mich darauf, diesen Ansatz im FCZB weiter zu etablieren und gemeinsam mit dem Team weiterzuentwickeln.
Janine: Mich reizt es, eine interne Ebene der weiblichen Führungskräftesicherung aufzubauen, auf finanzieller Ebene für die Arbeitsplatzsicherung unabhängiger zu werden und für mich persönlich einfach eine verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen, die Spaß macht, weil das FCZB durch ein tolles Team getragen wird und wirklich sinnvolle Arbeit macht.
Duscha: Als ich Mitte der 90er Jahre Teilnehmerin der ersten Multimedia-Fortbildung für Journalistinnen im FCZB war, hat sich für mich eine neue Welt aufgetan. Das damalige Team hat eine so inspirierende Lernumgebung geschaffen, dass ich jeden Tag mit dem Gefühl hinging, ich habe den 6er im Lotto gewonnen. Diese Energie trägt mich im FCZB auch heute noch. Wir sehen das auch bei den meisten Frauen, die die Lernangebote des FCZB besuchen. Sie kommen stärker, klüger und glücklicher aus den Fortbildungen und haben persönlich und beruflich neue Handlungsspielräume gewonnen – zu Tausenden seit 1984. Ein starker Impact, auf individueller Ebene. Aber auch gleichstellungspolitisch hat das FCZB in zahlreichen Projekten und darüber hinaus viele Impulse gesetzt, Millionen an EU-Geldern in die Stadt gebracht u.a. Es ist mit einem stark verjüngten, diversen Team von rund 40 Mitarbeitenden eines der größten feministischen Projekte in einer vielfältigen Frauenprojektelandschaft. Diese Kraft zu erhalten und weiterzuentwickeln, auch in einer Zeit, in der gesellschaftliche Verteilungskämpfe um knapper werdende öffentliche Mittel zu erwarten sind, und in denen demokratische Menschen- und Freiheitsrechte und feministische Ziele angegriffen werden, ist eine lohnenswerte Aufgabe. Wie auch bei großen globalen Problemen oder Herausforderungen bin ich davon überzeugt, dass nicht Isolation, Einzelkämpfertum und Egoismus, sondern Kooperation, voneinander Lernen und solidarisches Miteinander die Antworten sein müssen.
Was verbindest Du mit dem Konzept kompetenzbasierter Führung und geteilter Verantwortung?
Janine: Schlüsselpositionen zu entlasten, mehrere Perspektiven in Entscheidungen einzubeziehen, Verantwortungsübergabe und -übernahme aufgrund von menschlichen und fachlichen Kompetenzbereichen, verlässliche Zusammenarbeit immer im mindestes 4-Augen-Prinzip. Die Bandbreite der Ansprechpartnerinnen ist divers, nicht nur für uns in der Führung, sondern für das gesamte Team, und vor allem frei wählbar je nach Thema. Das Einbringen von Ideen aus dem gesamten Team und das Kennenlernen von Kompetenzen einzelner Kolleginnen außerhalb ihres Arbeitsgebietes kann Wissenszuwächse für alle generieren, es gibt mehr Transparenz bei Entscheidungen.
Duscha: Besonders in einer dynamischen und komplexen Arbeitsumwelt wie der des FCZB, in der sehr schnell und flexibel auf technologiegetriebene gesellschaftliche Veränderungen und neue Kompetenzanforderungen reagiert werden muss, ist beides doch total naheliegend: Gestaltungs- und Entscheidungsmacht sollten Leute haben, weil sie von einer Sache etwas verstehen und nicht, weil sie eine Position oder Funktion besetzen, in der sie a priori und unhinterfragt über ganz viele unterschiedliche Dinge entscheiden.
Kompetenzbasierte Führung ist nicht Ausdruck einer fixierten Leitungsposition in einer Organisationshierarchie, sondern eine beweglichere Kategorie gemeinsamen verantwortungsbewussten Handelns. Je nach Anforderung, Anlass und Interesse können unterschiedliche Personen vorangehen, für eine bestimmte Aufgabe die Leitung übernehmen, Impulse geben, Prozesse anstoßen, Teamarbeit koordinieren und gute Entscheidungen ermöglichen. Das heißt auch, wir können als Personen unterschiedliche Rollen in der Organisation haben. Wenn ich für eine Aufgabe den Lead übernehme, beanspruche ich nicht, das automatisch auch für eine andere zu tun. Hier folge ich dann bereitwillig anderen, weil ich darauf vertraue, dass sie mehr wissen oder den Job aktuell besser umsetzen können. Das ist die Basis, wie wir innerhalb der Geschäftsführung zu viert, in Zusammenarbeit mit der Leitungsrunde und mit dem gesamten Team, das FCZB voranbringen wollen.
Was bedeutet das praktisch? Besprecht und entscheidet ihr jetzt alles zu viert?
Elisa: Wir entscheiden gemeinsam, wer für welche Prozesse verantwortlich ist und sprechen uns dann im Bedarfsfall nochmal ab. Aktuell sind wir noch dabei, dieses rollenbasierte System zu etablieren, aber es klappt schon ganz gut. Wir treffen uns regelmäßig zum Jour fixe, zwischendurch besprechen wir uns aber auch mal – je nach Thema, Anliegen aber auch Kapazitäten – zu zweit oder zu dritt. Den Rest klären wir über E-Mail. Zugleich beziehen wir aber themenspezifisch und kompetenzbasiert auch Kolleginnen aus der Leitungsrunde oder dem Gesamtteam mit ein.
Janine: Das Vordenken im 4er-Team entlastet unser Entscheidungsgremium der Leitungsrunde. Die Vorarbeit zu bestimmten Themen kann durch uns geleistet werden und die Entscheidungen, die dann von allen in der Leitungsrunde getroffen werden, sind dann gut vorbereitet. Es gibt vor wichtigen Entscheidungen einen Informationsstand, der für alle gleich ist, Argumente dafür oder dagegen sind bereits beschrieben, und das macht die Entscheidungsfindung strukturierter, klarer und schneller.
Judith: Es bedeutet viel Kommunikation und Vertrauen in die Kompetenz und Arbeit der anderen. Es geht nicht darum, alles zu viert zu erarbeiten und zu entscheiden, sondern darum, sich mitzuteilen, damit alle vier immer auf dem gleichen Stand sind. Die Kommunikation läuft über regelmäßige Treffen, aber mindestens genauso wichtig sind E-Mails und bilaterale Gespräche oder Telefonate. Eine gemeinsame Übersicht der Aufgaben möchten wir über das Projektmanagementtool Zenkit haben – das ist aber noch in Erarbeitung.
Welche ersten Reaktionen gab es vom Team, Vorstand und anderen?
„Ich arbeite ja selbst in einer Organisation mit einer mehrschultrigen Führungsebene, die auch nicht immer einfach ist. Das hat viele Herausforderungen, man muss sich immer gut absprechen, aber es bietet auch total viele Chancen, um voranzugehen. Ich bin sehr gespannt, wie ihr das machen werdet. Ihr habt da bestimmt auch nochmal andere Ideen. Ich freu mich darauf, dass wir vielleicht auch voneinander lernen können. Meine Unterstützung habt ihr auf jeden Fall. (Nenja Wolbers, FCZB-Vorstand)
Janine: Ich habe bislang nur positive Rückmeldungen aus unserem Team bekommen, der Vorstand kann sich eine geteilte Führung im FCZB sehr gut vorstellen und vom Senat gab es lediglich die Rückmeldung, dass wir uns intern gerne so aufstellen können, wie wir das wollen.
Judith: Das Team hat ganz unterschiedlich reagiert, von skeptisch bis hin zu euphorisch. Der gemeinsame Nenner war die Erleichterung, dass es keine lange Suche nach einer neuen Geschäftsführung gibt und dass stattdessen bereits bekannte Personen diese Aufgabe übernehmen.
Duscha: Abgesehen davon, dass wir gelernt haben, dass geteilte Führung mit Strukturen der Berliner Verwaltung und der Zuwendung öffentlicher Mittel in der Frauenprojektelandschaft (noch) nicht einfach kompatibel sind, gabs fast überall freudige Erwartung und Zustimmung. Einzelne Personen haben die Augenbrauen hochgezogen und schräg geguckt – vermutlich, weil allein die Zahl 4 Fantasien von diffuser Verantwortung, zeitfressenden Diskussionen und Abstimmungsaufwand freisetzt. Diese Befürchtungen sind ja auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Aber wir sind uns der Risiken bewusst. Wir lassen uns in unserem Lern- und Veränderungsprozess extern von den klugen Tealbirds begleiten und bauen kritische Selbst-Reflexionsschleifen und Peer-Reviews mit der Leitungsrunde und dem größeren FCZB-Team ein. Das kann uns auf Kurs halten.
„Aus meiner Berufserfahrung geht eine große Bitte an euch: Gute Abstimmung ist ganz ganz wichtig, nicht dass sich eine auf die andere verlässt, und dann seid ihr verlassen. Aber da ihr ja alle jetzt schon so lange miteinander arbeitet und die Dinge sich in den letzten Jahren so positiv entwickelt haben, werdet ihr das sicher gut machen. Ich bin gerne weiter mit dabei.“ (Petra Heidenfelder, FCZB-Vorstand)
Was bedeutet geteilte Geschäftsführung aktuell und perspektivisch für das Team und die Organisation?
Elisa: Dafür ist es mir jetzt noch zu früh … Vielleicht manchmal das Gefühlt, dass Aufbruchstimmung herrscht und auch eine zuversichtliche Grundstimmung? Wir versuchen aus (alten) Mustern auszubrechen, widmen uns stark dem Thema Gesundheit und Wiedereingliederung, entscheiden uns auch mal gegen etwas …
Judith: Ein Team an der Spitze signalisiert, wie wichtig Teamarbeit ist. Insgesamt möchten wir im FCZB eine rollenbasierte Struktur erarbeiten, eine Organisationsstruktur, die sich nicht mehr entlang fester Stellenprofile entwickelt, sondern anhand von Rollen, die kompetenz- und interessensbasiert übernommen werden. Das ist ein langer Veränderungsprozess unserer Organisation und wir befinden uns damit erst am Anfang. Mir persönlich ist es wichtig, von der Norm der 40-Stunden-Woche wegzukommen. Diese Norm führt dazu, dass Personen mit Care-Aufgaben oder gesundheitlichen Einschränkungen in der Arbeitswelt benachteiligt werden. Negative Auswirkungen hat diese Norm auch für Menschen, die neben der (Lohn-)Arbeit andere zeitintensive Aufgaben (künstlerische, sportliche, zivilgesellschaftliche etc.) realisieren wollen. Diese Norm prägt das FCZB nach wie vor, auch wenn wir alle mit der feministischen Kritik daran vertraut sind. Ich arbeite weiterhin in Teilzeit, vor allem, weil ich verantwortlich für kleine Kinder bin. Ich möchte meinen Kolleginnen zeigen, dass dies möglich ist, dass ich meiner Verantwortung für die Organisation gerecht werden kann, auch wenn ich nicht 40 Stunden arbeite. Ich hoffe, dass perspektivisch mehr Kolleginnen Leitungsverantwortung in Teilzeit übernehmen und wir somit auch als positives Beispiel generell wirken können.
Duscha: Geteilte Verantwortung, also an einer Stelle kompetenzorientiert Führung zu übernehmen und an anderer Stelle an andere abzugeben, geht nicht ohne individuelle Lern- und Veränderungsprozesse. Dafür müssen wir in der Organisation den Rahmen und Unterstützungsstrukturen schaffen. Sicher macht es auch keinen Sinn, alle Abläufe und Rollen in der Organisation aufzubohren. Was gut funktioniert, soll nicht künstlich über Bord geworfen werden. Außerdem haben wir als Personen unterschiedliche Vorlieben und Bedürfnisse, wie wir arbeiten wollen, wieviel Sicherheit oder Autonomie wir brauchen. Diese Diversität soll respektiert und mit den Notwendigkeiten der Organisation in Einklang gebracht werden: Das ist nicht unkompliziert und verlangt Empathiefähigkeit und Toleranz. Damit das FCZB sich weiterentwickeln kann, geht es individuell aber schon auch darum, mal die Comfortzone zu verlassen, um etwas Neues zu wagen. Dazu gehört Selbstreflexion, wissen, was treibt und was triggert mich, und die Bereitschaft zu einer offenen Kommunikation darüber. Auf der Organisationsebene heißt das, eine Kultur zu stärken, die noch mehr Raum und Ermutigung schafft für Vielfalt, neue Ideen und das Verlernen von Perfektionsdenken: Dinge ausprobieren, „if it’s good enough for now and safe enough to try“. Die Fähigkeiten, Feedback empfangen und geben zu können sind ebenfalls wichtig, sowie Konfliktfähigkeit bei respektivollem Umgang. Mit dem fortlaufenden Generationenwechsel ist da schon einiges in Bewegung gekommen.
Wohin soll sich das FCZB in den nächsten Jahren entwickeln?
Janine: In all unseren Projekten gehen wir mit so viel Diversität so gekonnt um, dass es Zeit wird, dies auch in unserer Organisation zu leben und die unterschiedlichen Lebensläufe, unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen aller Kolleginnen wertschätzend in unsere Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen aufzunehmen und umzusetzen. Eine eigene Entwicklung von Führungskräften aus allen Reihen finde ich toll und vielleicht macht das auch bei anderen Organisationen ein bisschen Schule.
Elisa: Das FCZB wird mit seinem gleichstellungspolitischen Anspruch mehr denn je gebraucht. Gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen – vor allem politischen Verschiebungen nach rechts –, die die demokratische Grundordnung bedrohen und fremdenfeindliches Gedankengut weiter salonfähig machen, muss entschieden entgegengetreten werden. Mit seinen Zielsetzungen fordert und fördert das FCZB eine Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von (sozialer oder kultureller) Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung gleichberechtigt und menschenwürdig partizipieren können. Politisch setzen wir uns für strukturelle Veränderungen ein und machen auf Missstände, insbesondere auf die Lebensrealitäten von marginalisierten Gruppen, aufmerksam. In unserer praktischen Arbeit schaffen wir Diversity-sensible Lern- und Austauschräume auch für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Wir bauen Barrieren ab und beraten andere Akteur*innen, wie sie dies tun können.
Judith: In diesem Jahr wird das FCZB 40 Jahre alt und die Kernidee von Weiterbildungen von Frauen für Frauen rund um den Computer ist nach wie vor aktuell. Die Inhalte haben sich erweitert, digitale Kompetenzen werden inzwischen in allen Berufen und Lebensbereichen gebraucht. Das FCZB hat sich im Laufe der Jahre viel Erfahrung und Expertise mit dem digitalen Lernen erarbeitet. Die wollen wir weiterhin im Sinne unserer Ziele – einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt und Empowerment von Frauen – einbringen.
Zentral ist weiterhin die technikkritische und selbstermächtigende Herangehensweise. Fortbildungsteilnehmerinnen müssen über Vor- und Nachteile von Technologien und Tools Bescheid wissen, insbesondere mit Blick auf den Datenschutz, um bewusste Entscheidungen treffen zu können. Ein wichtiges aktuelles Zukunftsthema ist für uns im Bereich der Weiterbildung der Umgang mit KI.
Als feministische Organisation halte ich es für enorm wichtig, weiter eine intersektionalen Herangehensweise zu verfolgen und für diverse Zielgruppen ein offener und sicherer Lernort zu sein. Hierbei wünsche ich mir für das FCZB, dass es uns gelingt, als Team noch diverser zu werden. Eine große Herausforderung ist auch der zunehmende Antifeminismus, der sich auch in digitaler Gewalt zeigt. Auch hier müssen wir aktiv sein.
Duscha: Digitale Teilhabe ist und bleibt ein großes Aufgabenfeld: Mit der extrem schnellen Verbreitung neuer digitaler Technologien, aktuell auch durch sogenannte Künstliche Intelligenz in allen Bereichen der Arbeits- und Alltagswelt, wird die bestehende digitale Kompetenzkluft in der Gesellschaft noch schneller wachsen und mehr Menschen ausschließen.
Vom Ausschluss besonders betroffen sind Frauen, wenn sie älter sind, in einkommensschwachen Haushalten leben und zu wenig Deutschkenntnisse, Systemwissen oder Selbstbewusstsein haben, um ihre Interessen und elementaren sozialen Rechte gegen institutionelle Hürden und Benachteiligung durchzusetzen. Berufliche Chancen, die mit neuen digitalen Technologien und deren Aneignung verbunden sind, sind weiterhin ungleich verteilt. Zum Nachteil der einzelnen Personen und zum Nachteil von Gesellschaft und Wirtschaft – in einer Zeit, in der Millionen Stellen unbesetzt bleiben und Fachkräfte fehlen. Frauen könnten viele dieser Lücken füllen. Theoretisch. Eine jüngere IAB-Studie zeigt, dass bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten 5 Jahre nach der Ankunft in Deutschland 50% der Männer, aber nur 20% der Frauen erwerbstätig sind. Das Ausmaß dieses Unterschieds hat mich umgehauen, denn die Motivation zu arbeiten, ist bei geflüchteten Frauen und Männern ähnlich hoch. Da gibt es eine große gesellschaftspolitische, arbeitsmarkt- und bildungspolitische Aufgabe, an deren Bearbeitung sich das FCZB definitiv mit guten Qualifizierungsangeboten beteiligen kann und sollte.
Gerade weil die Realisierung breiter digitaler Teilhabe so eine große Herausforderung ist und das FCZB hier so eine starke Expertise hat, werden wir unser Know-how auch weiterhin an Multiplikator*innen weitergeben, zum Beispiel an Menschen, die IT-Trainings für Geflüchtete anbieten wollen. Wir können einen systemischen Impact haben, wenn wir unsere Kompetenz in der Ausbildung von Pflegekräften einbringen. Dabei geht es nicht nur um Technikdidaktik, sondern auch um Gender- und Diversity-Kompetenz in der Schulung von diversen und besonders von Diskriminierung betroffenen Personen. Für unseren eigenen Personalbedarf und darüber hinaus qualifizieren wir heute und künftig, wie schon vor 30 Jahren, IT-Trainerinnen, ua. auf europäischer Ebene. Auch unsere Expertise im Bereich des Abbaus von struktureller Diskriminierung ist weiterhin gefragt, in der Beratung von Unternehmen und Institutionen, die nach Wegen suchen, Gleichstellung in ihren Organisationen zu stärken. Die IT-Branche ist hier ein besonders lohnenswerter Acker. Nur 20% Frauen der Beschäftigten sind Frauen und nur 13% der Führungspositionen sind weiblich besetzt. Die kritische Haltung, dass Technik dem Menschen als Werkzeug dient und nicht umgekehrt, prägt unsere Arbeit seit 40 Jahren. Diese Perspektive und unser Know-how feministischer Gestaltung digitaler Transformation können wir weiterhin in Kooperationspartnerschaften einbringen, die Technologieanwendungen entwickeln, um breitere gesellschaftliche Teilhabe zu sichern.
„Immer, wenn man neu am Start ist, gibt es die Chance, die Bälle neu in die Luft zu werfen. Dazu möchte ich euch ermuntern: Dinge zu wagen, an die jetzt noch gar nicht gedacht worden ist. Weil ihr jetzt ein Team seid, wird das auf mehreren Schultern lasten, aber es wird sich auch verteilen und darin liegt eine ganz große Chance, nutzt sie. Wir machen mit!“ (Prof. Heike Wiesner, FCZB-Vorstand)