Barcamp #FrauenProjekteDigital22: Die Digitalisierung lieben, der Digitalisierung standhalten

Nach zwei Jahren der durch die Pandemie beschleunigten Digitalisierung gab es Gesprächsbedarf. Beim Barcamp #FrauenProjekteDigital22 kamen die Teilnehmenden zur Sache: Die Blockchain, Dokumentenkameras und Datensicherheit waren nur einige der Themen.

Spontan und partizipativ

Der Geist des Barcamps lebt an diesem Sommertag im FrauenComputerZentrumBerlin e.V.: Wer hätte morgens auf dem Weg ins FCZB gedacht, dass wir am Abend sensibilisiert sein würden für die Tücken von AirTags, dass wir um die Wette gegendert oder über feministischen Widerstand in Smart Citys diskutiert haben würden?

Ganz sicher keine – denn das Programm entsteht ganz Barcamp-typisch erst am Morgen der Veranstaltung selbst. Alle, die wollen, können sich – ob kurz entschlossen oder gut vorbereitet – mit einem Thema oder einer Frage einbringen und eine 45-minütige Session vorschlagen. Dabei egal: Ob eine Session-Geberin schon Expertin auf ihrem Gebiet ist – oder einfach die Chance nutzen will, sich mit anderen über ein Thema auszutauschen.

Jede Anwesende wählt anschließend aus den Session-Vorschlägen drei aus, über die sie reden oder etwas lernen will. In wenigen Minuten bastelt das Orga-Team daraus das Tagesprogramm, bestehend aus dreimal drei parallel stattfindenden Sessions zu unterschiedlichsten Themen rund um die Möglichkeiten einer feministischen Transformation der Digitalisierung.

Von AirTags bis Wissensgerechtigkeit: Die Sessions

AirTags: Die unbeschreibliche Leichtigkeit der Kontrolle
Wie verändern und gefährden die neuen Trackingtechnologien von Apple den Alltag von Frauen?

Blockchain und Web3: Hype oder Revolution?
Dezentral, digital und kryptografisch – technologische Chancen oder falsche Versprechungen?

Future Soft Skills
Welche Soft Skills brauchen wir für die digitale Transformation – und wie eignen wir uns die an?

Gendern um die Wette!
Tipps und Tricks für eine gendersensible, inklusive und diskriminierungsfreie Sprache

Sichere Passwörter erstellen und verwalten und Dateien verschlüsseln
Der Passwort-Manager KeePassXC

Smart und mobil. Eine Frage der Einstellung
Speichermöglichkeiten und Datenschutz am Smartphone

Struktur und Sinnlichkeit: Online beraten mit der Dokumentenkamera
Online-Beratung muss nicht abstrakt und distanziert sein!

Undoing Optimization oder feministischer Widerstand in Smart Citys
Ausgehend von Alison B. Powell: Undoing Optimization: Civic Action in Smart Cities: Brauchen wir mehr Smartness – oder eher eine Renaissance der Zwischenmenschlichkeit?

Wie kommen wir gemeinsam zu Wissensgerechtigkeit im Digitalen?
Welche Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten haben wir?

Hier geht es zur Dokumentation der Sessions.

Das Digitale ist wie der Rest – und anders

So unterschiedlich die Sessions auch sind, immer wieder wird deutlich, dass gesellschaftlich virulente (Macht-)Strukturen auch im Digitalen wirken – beispielsweise wenn es um die missbräuchliche Verwendung von AirTags geht: Mit AirTags lässt sich nicht nur ein verlegter Schlüssel wiederfinden. Vielmehr lassen sich leichter als mit jeder Spyware Personen – in der Praxis sind das v.a. Frauen – stalken oder kontrollieren. Hier – wie auch in der Diskussion um die Blockchain – zeigt sich der oft schmale Grat zwischen den Vorteilen (neuer) technologischer und digitaler Möglichkeiten und der Gefahr ihres Missbrauchs – ob durch Einzelpersonen oder große Konzerne. Immer wieder stellt sich die Frage: Wann nehme ich es unter Nutzung der Vorteile digitaler Tools in Kauf, persönliche Daten preiszugeben? Und wann kann ich Alternativen zu Google etc. verwenden, um die Kontrolle über meine Daten zu behalten?

Außerdem Thema: Die Verlegung von Arbeits- genau wie Lern- und Beratungsprozessen ins Digitale kam mit der Pandemie – und wird (teilweise) bleiben. Hier sind erfolgreiche Praxen entstanden. Sind diese für manche schon selbstverständlich, sind sie für andere noch neu. Das Know-how können wir teilen.

Überhaupt zieht sich durch den Tag: wie wichtig es ist, in feministischen Kontexten Expertise weiterzugeben, Wissen und Erfahrung zu teilen, sich gegenseitig zu sensibilisieren und zu vernetzen – wofür das Barcamp #FrauenProjekteDigital einen Ort bietet, schon 2019 und wieder 2022.

Anders als noch 2019 geht es jetzt stärker auch darum, die Notwendigkeit von Erfahrungen, Werten und Resilienzen jenseits der Allgegenwärtigkeit des Digitalen zur Diskussion zu stellen. Zwar zeichnet sich diese Verschiebung im Diskurs auch anderswo ab. Es ist jedoch kein Zufall, dass besonders feministische Zusammenhänge diese Fragen aufwerfen. Digitale Kontrolle und kritische Technikfolgenabschätzung sind schon in den 80er-Jahren Themen der emanzipatorischen Frauenbewegung gewesen – und haben an Aktualität seitdem noch gewonnen.

Austausch und Lernen – ganz ohne Besserwisserei

Während der über die drei Etagen des FCZB verteilten Sessions, beim gemeinsamen Essen im Hof oder zwischendurch am geöffneten Fenster mit Blick auf die Spree: die Anwesenden diskutieren auf Augenhöhe, reden mit, hören einander zu, nehmen Gesprächsfäden auf, stellen Fragen, ohne die andere Person in Frage zu stellen, knüpfen neue Kontakte oder aktivieren Netzwerke, die über zwei Jahre mit eingeschränkten Präsenz-Treffen eingeschlafen waren.

Das Fazit der Anwesenden fällt dementsprechend positiv aus: „Ich hab echt was dazugelernt“, sagt eine, eine andere betont, „wie toll es war, unvorbereitet in eine Session zu kommen – und sich dann auch zu trauen, mitzureden!“

© Fotos: Rebecca Kunsch, FCZB


Wir bedanken uns bei allen, die dabei waren, besonders bei den Session-Geberinnen für Initiative und Input, beim Kreuzberger Himmel für das leckere Essen, bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Abteilung Frauen und Gleichstellung und bei CGI Berlin für die Unterstützung.

Logo Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Abteilung Frauen und Gleichstellung aus Mitteln des Landes Berlin.